Nouveautés de la GRA

16.07.2020

Wir stehen erst am Anfang

von Dominic Pugatsch

Kürzlich wurde ich in einer Medienanfrage in Zusammenhang mit der Arena-Sendung vom 19. Juni 2020 folgendes gefragt: Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, bei einer Rassismus-Debatte in der Arena nur schwarze Menschen zu Wort kommen zu lassen?

Die NZZ am Sonntag schrieb am 21. Juni auf ihrem Titelblatt folgendes: «Ob Rassismus oder Gender: Heute bezieht jeder sofort Stellung und haut anderen seine moralische Überlegenheit um die Ohren. Der Schreibende selbst bezeichnete Mohrenkopfproduzent-Dubler in einem kürzlich ausgestrahlten «Talktäglich» auf «Tele Züri» als «Ewiggestrigen» und musste sich dafür Kritik anhören. Es stellt sich offenbar die Frage: Was darf man heute überhaupt noch sagen? Wird einem jetzt mit dem verbalen «Zweihänder» das eigene Wort verboten? Mit anderen Worten: Wie sieht eine ausgewogene Diskussion zum Thema Rassismus aus? Hier einige Gedanken dazu.

Zunächst wärmstens empfohlen sei die Lektüre des GRA-Glossars. Dort finden sich viele sogenannte «belastete» Begriffe, wie z.B. «Judenschule», «Nacht und Nebelaktion» sowie u.a. auch das N-Wort oder «Mohr/Mohrenkopf». Die dortigen Erläuterungen mögen den Leserinnen und Lesern einen ersten Anhaltspunkt liefern oder zumindest zur weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung anregen.

Zielführend erscheint daneben auch die Vorgehensweise, welche die abtretende Ombudsfrau der Stadt Zürich – Claudia Kaufmann – in einem Interview mit der NZZ vom 21. Juni exemplarisch vorlebt. Als eine der ersten Personen hat Claudia Kaufmann in der Schweiz das Phänomen «Racial Profiling» thematisiert. Sie hat in ihrer Funktion jedes Jahr Hunderte von Vermittlungen durchgeführt. Ihr Engagement für Rechtsstaatlichkeit und Fairness stösst weit über Zürich hinaus auf grosse Anerkennung; sie hat den Nanny-und-Erich-Fischhof-Preis 2011 für ihren Einsatz gegen Rassismus und gegen Diskriminierung jeglicher Art erhalten und vor zwei Jahren honorierte die Universität Zürich ihre wissenschaftlichen Beiträge und ihre Umsetzungsarbeit zu Fragen der Gleichstellung und Nichtdiskriminierung mit der Ehrendoktorwürde. Auf Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Krise angesprochen – etwa im Zusammenhang mit der Situation in den Alters- und Pflegezentren – antwortete sie folgendermassen:

«Zunächst hörten wir einfach zu und nahmen Anteil. Ich tauschte mich mit der Direktorin der Alterszentren regelmässig über neue Massnahmen und Lockerungsmöglichkeiten aus. So konnte ich jeweils die nächsten Schritte kommunizieren. Auf die Betroffenen wirkte dies beruhigend und zeigte Perspektiven auf.» Und weiter: «… es gelang mir in der Regel, ihr Verständnis für eine andere Perspektive zu wecken und die verschiedenen Interessen wahrzunehmen. Solche Perspektivenwechsel aufzuzeigen, ist eine unserer Kernaufgaben.»

Die Kernbotschaft ist somit der Perspektivenwechsel. Es geht in der aktuellen Debatte gar nicht darum, was darf ich wann, wie denn überhaupt noch sagen, sondern: höre ich hin, was die Betroffenen sagen? Was sagen sie denn überhaupt? Wie wirken diskriminierende Worte und Handlungen im Alltag auf die Betroffenen? Zuerst einfach einmal hinhören und verstehen, was Minderheiten belastet, wie denn Worte wie «Mohrenkopf», «laut wie in einer Judenschule» oder «ihr Muslime» auf diese wirken. Wenn wir aufmerksam zuhören, Anteil nehmen und dann reflektieren, ja dann ergibt sich der eigene Sprachgebrauch und die gezielte Wortwahl von allein. Aggressivität innerhalb einer Debatte nimmt ab und die Sensibilität gegenüber den Mitmenschen wächst. Michael Bischof, stellvertretender Leiter der Integrationsstelle Zürich und Autor im Rassismusbericht von GRA und GMS schrieb dazu im Berichtsjahr 2018 folgendes:

«Diskussionen um Rassismus und Antisemitismus werden im beruflichen und privaten Alltag oft erstaunlich faktenfrei geführt. Wer Rassismus thematisiert, stösst auf Distanzierung und Abwehr und muss sich anhören, er oder sie übertreibe und stütze sich letztlich auf subjektive Empfindungen. Zu bedenken ist allerdings, dass Rassismus immer auch ein subjektives, emotionales Erlebnis ist. Ist nicht eines der Anliegen des Anti-Rassismus, Menschen in ihrer Verletzlichkeit und Empfindsamkeit zu achten und zu schützen? Zudem: Woher nehmen diejenigen, die eine zu hohe Empfindlichkeit reklamieren eigentlich ihre Gewissheit? Wäre nicht vielmehr ein Mangel an Feingefühl zu beklagen?»

Später fährt er fort: «… Diskriminierungserfahrungen schwarzer Menschen vergegenwärtigen grauenhafte Traditionen wie Sklaverei, Kolonialismus und die fortwährende Geschichte des antischwarzen Rassismus. Sie müssen entsprechend vor dieser Folie bewertet werden. Wenn sich Kinder und Männer der jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft in Zürich-Wiedikon vor einem Verfolger fürchten, ist das vor dem Hintergrund antisemitischer Gewalttaten und Verbrechen zu beurteilen. Ungeachtet der Tatsache, ob der stark alkoholisierte Verfolger von antisemitischen Motiven getrieben oder «bloss betrunken» war. Für die Betroffenen bleibt es – «Alkohol hin oder her» – eine Erfahrung mit Bezug zu ihrem Jüdischsein. Diese Betroffenenperspektive sollte bei der Bewertung anerkannt und entsprechend gewichtet werden

Als ich diese Woche operiert wurde, erwischte der Anästhesieassistent meine Vene nicht auf Anhieb und ärgerte sich bitterlich: «So blöd aber auch, sowas darf mir doch nicht passieren!» Während mir der Narkoseschlauch aufgelegt wurde, dachte ich über seine Worte nach. Ich fragte: «Was meinen Sie damit, woher kommen Sie denn?» «Weil ich doch Secondo bin – wir müssen doppelt und dreifach so gut sein, das sage ich auch meinen Kindern!» Ich bat das Ärzteteam mit dem Ritt ins Nirvana noch kurz zu warten und nahm den Narkoseschlauch ab. Was ich dem Herrn sagte? Ich erläuterte ihm in aller Kürze, was ich in diesem Beitrag ausgeführt habe; also ermutigte ihn, sich mit Stolz am Perspektivenwechsel zu beteiligen, sich nicht zu ducken, sondern hörbar zu machen.

Insofern ist auch die aktuelle Rassismus-Debatte hierzulande durchaus wünschenswert; nicht im Sinne eines sprachpolizeilichen Hickhacks, sondern zur Steigerung der Sensibilität gegenüber den Mitmenschen. Wir stehen erst am Anfang. Schon ein kleiner Perspektivenwechsel genügt!

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16.07.2020

Les juives et juifs de Suisse se sentent toujours plus menacé-e-s

Le harcèlement, la discrimination et la peur font partie de la vie quotidienne de nombreuses personnes de confession juive. Elles subissent des attaques antisémites le plus souvent sur l’internet, ainsi que le révèle une enquête menée au niveau national par la ZHAW.

L’année dernière, plusieurs actes de violence à motivation antisémite ont été commis dans le monde entier, avec des conséquences fatales. Une étude de l’European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) a également révélé que les attaques contre les personnes de confession juive sont en augmentation de façon générale en Europe. Dans ce contexte, le département de travail social de la ZHAW a mené une enquête nationale pour savoir comment les juifs de Suisse éprouvent et perçoi-vent l’antisémitisme. Au total, 487 personnes ont participé à l’enquête. Celle-ci a été menée en collaboration avec la Fondation contre le racisme et l’antisémitisme (GRA). L’enquête a été réalisée en majeure partie en ligne. L’étude suisse suit de près celle de la FRA datant de 2018 afin d’obtenir des données comparatives.

 

Vitimes de harcèlement et de discrimination

Environ la moitié des personnes interrogées ont déclaré avoir été victimes de harcèlement antisémite à la ville ou en ligne au cours des cinq dernières années. Près des trois quarts partent du principe que l’antisémitisme représente un problème croissant. «Ces chiffres montrent clairement que l’antisémitisme existe en Suisse et fait partie de la vie quotidienne des juifs vivant ici», déclare le responsable de l’étude et directeur de l’Institut de prévention de la délinquance et de la criminalité de la ZHAW, Dirk Baier.

Les canaux de loin les plus courants pour les personnes de confession juive de faire l’expérience de l’antisémitisme sont l’internet et les réseaux sociaux. Près de neuf personnes interrogées sur dix pensent que l’antisémitisme a augmenté dans ce domaine, et près de 50% des personnes interrogées ont vu des juifs insultés ou menacés en ligne. Ils ont rarement subi des violences physiques telles que des lésions corporelles ou des agressions. Les agressions les plus fréquentes sont signalées par des juifs orthodoxes stricts: ils ont presque tous été victimes d’une forme de harcèlement au cours des cinq dernières années. Un sixième d’entre eux signale également des dégâts matériels et des actes de violence.

En ce qui concerne la discrimination antisémite dans la vie quotidienne, 16,2% ont déclaré avoir vécu au moins une expérience au cours des 12 derniers mois. Il existe trois principaux domaines dans lesquels les niveaux de discrimination augmentent: dans les établissements d’enseignement tels que les écoles et les universités, au travail et lors de la recherche d’un logement. Il s’agit moins de restrictions de la vie ou des pratiques religieuses que de formes plus subtiles de discrimination. Dirk Baier est convaincu que «le secteur de l’éducation et du travail représente donc des domaines importants pour le futur travail de prévention». «Les propos discriminatoires sont particulièrem ent marquants et blessants pour les personnes af f ectées quand ils apparaissent de manière subtile dans des situations du quotidien», affirme Dominic Pugatsch, directeur de la GRA.

 

Le sentiment de sécurité diminue

Les expériences révélées par l’enquête ont un impact sur le sentiment de sécurité de la population juive. Ainsi, près d’une personne interrogée sur trois évite au moins parf ois les événements ou les sites juifs ou d’autres lieux dans sa ville natale parce qu’elle ne se sent pas en sécurité sur le chemin pour s’y rendre. Environ un cinquième d’entre elles craignent d’être attaquées verbalement dans des lieux publics au cours des douze prochains mois. De jeunes juif s (16 à 44 ans) et ceux qui ont une forte identité juive ont plus souvent peur et montrent plus de comportements d’évitement que les autres groupes d’âge ou les personnes interrogées à l’attitude plus libérale.

Près des deux tiers se sont déclarés favorables à ce que les autorités accordent à l’avenir une plus grande attention aux besoins de sécurité de la population juive. «Les hommes et femmes politiques devraient donc chercher à dialoguer encore plus avec les communautés juives et proposer des solutions rapides. Les résultats en attestent clairement», affirme Dirk Baier.

 

Renoncement fréquent à porter plainte

Seulement un tiers environ des personnes interrogées ont déclaré avoir signalé leur expérience de commentaires insultants ou menaçants à la police ou à un autre organisme. Cela signifie que deux tiers de ces actes restent dans l’ombre; en cas de dommages matériels ou de violence physique, les taux de signalement sont nettement plus élevés et le nombre de cas non signalés est proportionnellement plus faible.

Aucun type spécif ique d’agresseur ne peut être identifié et, dans certains cas, les agresseurs sont inconnus des victimes. «Sur la base de ces constatations, on ne peut pas conclure que seuls les musulmans ou les personnes politiquement à droite pratiquent l’antisémitisme. Au lieu de cela, il semble provenir davantage du centre de la société», explique Dirk Baier.

 

Cliquez ici pour le rapport (en allemand)

Lien vers le site du rapport de la ZHAW (en allemand)

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a.gerdes

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