Dieudonné und die Quenelle

Der französische Kabarettist, Schauspieler und politische Aktivist Dieudonné M’bala M’bala hat vor einigen Jahren eine Geste geschaffen, die er «Quenelle» nennt. Bekannt wurde die Quenelle 2009, als Dieudonné für die «Antizionistische Liste» kandidierte und die Geste auf einem Wahlplakat zeigte. Kritiker:innen sahen in der Quenelle einen «versteckten Hitlergruss». Dieudonné erklärte sie als subversiven Protest gegen das «System». Da Dieudonné vor allem mit rechtsextremen und antisemitischen Parolen provoziert, gehört die Quenelle mittlerweile zum Arsenal der Rassist:innen. Dies belegen zahlreiche Fotos im Internet, auf denen Unbekannte vor jüdischen Einrichtungen und sogar vor Holocaust-Gedenkstätten mit der Quenelle posieren.  Seit einem Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2017 können sich Personen, die öffentlich werbend mit der Quenelle posieren, nach Art. 261bis StGB strafbar machen. 

Der französische Komiker Dieudonné M’bala M’bala ist das Beispiel eines politischen Rebellen, der am linken Rand beginnt und rechtsaussen landet (ältere Fälle sind in Frankreich Roger Garaudy und in Deutschland Horst Mahler). Der 1966 geborene Sohn einer Bretonin und eines Kameruners begann in den 1990er Jahren seine Karriere als Stand-up-Comedian zusammen mit einem jüdischen Komiker. Damals engagierte er sich in linken Bewegungen gegen den Rassismus. 1997 trennte sich das Duo, und während der folgenden Jahre seiner Solo-Karriere schockierte Dieudonné immer häufiger mit antisemitischen Sprüchen, die er als bloss antizionistisch verstanden haben wollte. Doch ab 2005 wurden seine Beziehungen zum Front National und dem Holocaust-Leugner Robert Faurisson immer enger.

In einem Bühnenprogramm von 2005 zeigte Dieudonné erstmals die Geste, die er «Quenelle» nannte: eine Art verrutschter Salutstellung, bei welcher der angewinkelte Arm nicht an den Hutrand, sondern an die andere Schulter gelegt wird, während der andere Arm stramm zum Boden weist. (Welcher Arm angewinkelt wird, ist offenbar egal.) Einem grösseren Publikum wurde die Quenelle erst im Mai 2009 bekannt, als Dieudonné sie auf einem Wahlplakat der «Antizionistischen Liste» zeigte und «für ein Europa, befreit von der Zensur, vom Kommunitarismus, von den Spekulanten und von der Nato» warb.

Kritiker:innen sahen in der Quenelle einen versteckten Hitlergruss, denn mittlerweile war Dieudonné bereits mehrmals wegen rassistischer Beschimpfungen verurteilt worden. Dieudonné selbst behauptet in einem Video auf Youtube, der Gruss sei als subversiver Akt gegen «das System» gerichtet: «Diese Formulierung gehört nicht mehr mir – sie gehört der Revolution.» Gemeint ist die nationale, rechte Revolution. Auch Jean-Marie Le Pen, der Pate von Dieudonnés drittem Kind, liess sich mit der Quenelle fotografieren. Die Polemik um die Quenelle hat dazu geführt, dass sie tausendfach kopiert und ins Internet gestellt wurde. Auf seiner Website versammelt Dieudonné die Lieblingsbilder seiner Fans – an erster Stelle ein Foto, auf dem zwei bewaffnete Gebirgsjäger in Uniform die Quenelle vor einer Synagoge zeigen. Die Soldaten wurden später von der Armee disziplinarisch bestraft.

Die Quenelle ist kein Hitlergruss, sondern eine Erfindung von Dieudonné, die sich selbständig gemacht hat – allerdings in die von Dieudonné gewünschte Richtung. Die vielen Selbstbildnisse im Internet zeigen, dass die Quenelle gerne vor jüdischen Einrichtungen, Synagogen und Orts- und Strassenschildern mit jüdischen Bezügen gezeigt wird. Sogar vor Holocaustdenkmälern und der Kulisse von Auschwitz lassen sich Provokateur:innen in der Quenelle-Pose fotografieren. So ist die Quenelle zum festen symbolischen Repertoire der Rassist:innen und Antisemit:innen geworden. Seit einem Urteil des Bundesgerichts im Jahr 2017 können sich Personen, die öffentlich werbend mit der Quenelle posieren, nach Art. 261bis StGB strafbar machen.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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10.04.2024

Diskriminierungsbericht 2023

Der neuste Bericht der GRA und GMS zum Jahr 2023 ist da.

Aufgrund der Ausweitung der Diskriminierungsstrafnorm Art. 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) in den letzten Jahrzehnten, auch im Hinblick auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, wurde der Bericht umbenannt und heisst nunmehr „Diskriminierungsbericht“ anstelle von „Rassismusbericht“.

Die umfassende Analyse der jährlichen Diskriminierungsfälle in der Schweiz 2023 zeigt einen sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle nach dem Angriff der Hamas und dem nachfolgenden Krieg in Gaza. Damit einher geht eine zunehmende Sichtbarkeit von allgemein diskriminierenden Taten und Hassreden. Die insgesamt 98 registrierten Vorfälle im Jahr 2023 stellen eine Zunahme um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr dar.

Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Konzepte im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus helfen können sind im vollständigen Bericht inklusive Interview mit Hannan Salamat vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der dazugehörigen Medienmitteilung zu finden.

 

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Medienmitteilung Diskriminierungsbericht 2023

 

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