Türken

Das Verb türken im Sinne von «fälschen, verfälschen» ist relativ neu in der deutschen Umgangssprache. Möglicherweise kommt es von «einen Türken stellen», einem Ausdruck der Soldatensprache für ein (Täuschungs-) Manöver des Militärs. In der Schweizer Mundart bezeichnet en Türgg eine (Armee-) Übung und (dure-)türgge heisst (durch-)exerzieren, marschieren.

Der 1952 erschienene Band 22 des von Jacob und Wilhelm Grimm begründeten «Deutschen Wörterbuchs» kennt türken/getürkt in der Bedeutung von «fälschen» und «verfälschen» noch nicht. Das bedeutet wahrscheinlich, dass diese umgangssprachliche Wendung relativ jung ist. Dennoch ist sie – auch in Schweizer Medien – weit verbreitet.  Auf der DVD der NZZ-Jahrgänge 1993-2003 finden sich je 23 Belege für getürkt und getürkte.

Im eingangs erwähnten «Deutschen Wörterbuch» ist nur das Substantiv Türke aufgeführt, unter anderem als Ausdruck der Soldatensprache, in der ab 1900 Türke eine «Gefechtsübung gegen einen angenommenen Feind» und ein «eingedrilltes parademässiges Vorexerzieren bei militärischen Besichtigungen» bedeute. Die Wendung «einen Türken stellen» heisse «bei Besichtigungen jemandem etwas vormachen».

Walter Transfeldt gibt in seinem 1916 erstmals erschienenen Werk «Wort und Brauch in Heer und Flotte» unter anderem diese etwas ausführlichere Erklärung für das Wort Türke in der deutschen Soldatensprache:
«Unter der Regierung König Friedrich Wilhelms IV, von 1840 bis 1861, war ein auffälliges und eilfertiges Bemühen festzustellen, zu jeder Truppenbesichtigung eine ungewöhnliche Gefechtslage vorzuführen. Solche ‹frei erfundenen› Lagebilder interessierten den König und wurden von ihm gerne gesehen. Da wollte nun jeder Major ja jeder Hauptmann etwas Besonderes erfinden und dadurch die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Der Leutnantswitz bezeichnete solche Gefechtsvorführungen bald als ‹Türkenmanöver›, zuletzt ‹Türken›. Der erste Gebrauch der humorig gemeinten Redensart wird dem späteren Generalleutnant z. D. v. Kotze (gestorben 1893) nachgesagt. Er war in den Jahren 1856-61 Bataillonskommandeur im Alexander-Garde-Regiment. Möglicherweise ist das ‹Türkenmanöver› in dieser Zeit entstanden: In der Tempelhofer Feldmark – in der mit Vorliebe die Besichtigungsvorübungen der Berliner Garnison abgehalten wurden – befand sich bis 1866 eine türkische Grabstätte. Das Türkengrab soll bei den Übungsabläufen oft eine wichtige Rolle gespielt haben. Und so mag die Redewendung in den militärischen Sprachgebrauch eingegangen sein.» (zitiert nach Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen, Beck’sche Reihe, München 2008, S. 45/46).

Eine Beziehung zum Militär hat das Wort Türke auch im Schweizerdeutschen. Das neue «Zürichdeutsche Wörterbuch» von Heinz Gallmann (Verlag NZZ, Zürich 2009) erklärt Türgg mit «Marsch, Übung, Manöver» in der Soldatensprache und führt als Beispiel an: «De Türgg isch abverheit.» Die Verben türgge und duretürgge übersetzt Gallmann mit «marschieren, exerzieren» und «durchexerzieren» («Das müemer emaal rächt duretürgge!»). Nicht im Wörterbuch (wohl weil es eine Fremdwortkombination ist) findet sich der populäre Ausdruck Familietürgg für einen grösseren Familien(pflicht)anlass.

Obwohl das Verb «türken» und das Adjektiv «getürkte/r» in der Schriftsprache meist gedankenlos gebraucht werden, ohne dass man damit Menschen aus der Türkei verbindet, kann es diese doch verletzen. Denn «türken» und «getürkte/r» sind eindeutig negativ  besetzte Wörter. Sie lassen sich problemlos durch «fälschen» und «gefälschte/r» ersetzen.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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