Apartheid

Weitere Begriffe zum Thema Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten:

Apartheid bezeichnet historisch das politische System der «Rassentrennung» in Südafrika von 1948 bis 1994, das von der regierenden Nationalen Partei eingeführt und von der weissen Minderheit getragen wurde. Es basierte auf der Trennung und Einschränkung von Menschen nach ihrer angeblichen «Rasse», also ihrer Hautfarbe. Apartheid ist zugleich ein im internationalen Recht kodifiziertes sog. Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der Begriff Apartheid beruht auf dem niederländischen und afrikaansen «apart», das «getrennt, besonders, anders» bedeutet. In Südafrika stand der Begriff für eine physische Trennung zwischen der weissen und der schwarzen Bevölkerung, die mithilfe von Legislative, Judikative und Exekutive gesichert werden sollte. Das Apartheidsystem ging von einer angeblichen legitimen Hegemonie der europäischstämmigen Südafrikaner:innen gegenüber der einheimischen Bevölkerung aus. Hierfür wurde auch eine religiös-calvinistische Begründung und Rechtfertigung angeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die meisten Kolonien von den europäischen Staaten unabhängig wurden, galt Südafrika als herausragendes Negativbeispiel einer Weiterführung kolonialer Konzepte und einer Politik der Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung; es nahm damit eine Sonderstellung ein. Die «Rassentrennung» betraf alle Bereiche des Lebens der schwarzen Mehrheitsbevölkerung in Südafrika: Die Wahl von Wohnort, Arbeitsplatz und Partner:in, Bildung, Freizeitgestaltung, politische Teilhabe usf. waren strengen Restriktionen unterworfen; die Umsetzung dieser Verordnungen war teils mit grosser Brutalität verbunden.

Das politische System der Apartheid wurde international breit kritisiert, insbesondere von anderen postkolonialen Staaten, aber auch von westlichen Gesellschaften und Staaten, die jedoch oft eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südafrika aufrechterhielten. Diese Kritik mündete beispielweise in einem Boykott von südafrikanischen Produkten. In Südafrika selbst hatte sich früh eine Widerstandsbewegung gebildet. Beispielsweise wurde schon 1912 der «Afrikanische Nationalkongress» (ANC) gegründet, der ab den 1940er Jahren explizit für eine rechtliche Gleichstellung kämpfte. Von 1960 bis 1990 wurde die Bürgerrechtsorganisation verboten und auch ihr später prominentestes Mitglied im Kampf gegen die Apartheid, Nelson Mandela, von 1963 bis 1990 inhaftiert. In dieser Zeit fanden weiterhin friedliche, aber auch gewaltvolle Protestaktionen des ANC und vergleichbarer Organisationen statt. Ab Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer zunehmenden politischen Annäherung und Gesprächen zwischen der südafrikanischen Regierung und der Widerstandsbewegung sowie zu Verhandlungen über eine neue Verfassung. Hierfür erhielten Nelson Mandela und der damalige Staatspräsident Willem de Klerk 1993 gemeinsam den Friedensnobelpreis. Nach dem Ende der Apartheid und den ersten allgemeinen, freien Wahlen wurde Mandela von 1994 bis 1999 der erste schwarze Präsident Südafrikas für den ANC, der zur Partei umgewandelt worden war und bis heute die Regierung stellt.

Das Apartheidregime in Südafrika hatte international rechtliche Konsequenzen. So wurde die Apartheid mit einer Konvention 1974 als Verbrechen deklariert und als sog. Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jahr 1998 ins Völkerstrafrecht aufgenommen. Auf dieser rechtlichen Ebene geht der Begriff über die konkrete historische Situation in Südafrika hinaus. Die Statuten des Internationalen Gerichtshofes definieren Apartheid als

«[…] unmenschliche Handlungen [...], die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten.»

Es wurde mehrfach Kritik an dieser Definition und in der Folge manchmal auch am Straftatbestand an sich geäussert. Als Gründe werden ein unscharfer Wortlaut und Unklarheiten in der Anwendung genannt, bspw. ob eine gesetzliche oder «nur» eine faktische Unterdrückung für das Erfüllen des Tatbestandes erforderlich ist. Darüber hinaus wird auch das Verwenden von Kriterien, die auch unter andere Tatbestände subsumierbar sind als bedenklich erachtet.

Unter anderem aus diesen Gründen ist die Übertragung des Begriffes auf den Staat Israel z. B. durch einige bekannte Nichtregierungsorganisationen sehr umstritten. Dabei geraten häufig sehr unterschiedliche Ebenen wie die gesetzliche Lage im Staat Israel selbst, die faktische Lage im Westjordanland/Gaza-Streifen, rechtliche und sicherheitspolitische Fragen sowie eine extreme moralische Aufladung des Begriffes im Alltagsverständnis vieler Menschen durcheinander. Während Verfechter:innen des Begriffes oft international auf die Lage der Palästinenser:innen aufmerksam machen möchten, wird der Vorwurf in Israel meist als delegitimierend und dämonisierend empfunden. Kritik wird u. a. daran geübt, dass der Apartheidsvorwurf nicht auf andere Staaten wie z. B. China (bzgl. des Umgangs des chinesischen Regimes mit der muslimischen Minderheit der Uigur:innen) übertragen wird, sondern ausschliesslich auf Israel, wo die nicht-jüdische Minderheit das gleichberechtigte Wahlrecht etc. wie die jüdische Bevölkerung besitzt. Hinzu kommt, dass der Vergleich mit Südafrika impliziert, Jud:innen gehörten analog zur weissen Minderheit in Südafrika nicht zur indigenen Bevölkerung in Israel. Dieser Kolonialismus-Vorwurf ignoriert historische Tatsachen und kann als Delegitimierung des Existenzrechtes des Staates Israel interpretiert werden.
Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Konnotationen von Apartheid (geschichtlich, völkerrechtlich und im Alltagsverständnis) sollte der Begriff ausserhalb des südafrikanischen Kontextes mit grosser Vorsicht verwendet werden.

 

Siehe auch die Begriffe Rassismus und Antizionismus.

© Laura C. S. Alt, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums für Jüdische Studien in Basel, 2024.

Weiterführender Literaturhinweis: Nancy L. Clark/William H. Worger: South Africa. The Rise and Fall of Apartheid, Harlow 2004.

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13.12.2023

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