Impfen macht frei

Der Slogan «Impfen macht frei» bezieht sich auf den Spruch «Arbeit macht frei» (siehe Artikel: «Arbeit macht frei»), der sich über dem Tor der Konzentrationslager Dachau, Auschwitz, Sachsenhausen und Theresienstadt befand und zur Verhöhnung der Insass:innen diente. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde der Spruch von Impfgegner:innen und Corona-Skeptiker:innen adaptiert, um ihren Unmut über die von der Politik beschlossenen Schutzmassnahmen kundzutun und Aufmerksamkeit zu erhaschen.   

Transparente und Plakate mit dem Slogan «Impfen macht frei» werden immer wieder auf Corona-Demonstrationen gesichtet. Der Verweis auf die Aufschrift «Arbeit macht frei» (siehe Artikel: «Arbeit macht frei»), die an den Toren der Konzentrationslager Dachau, Auschwitz, Sachsenhausen und Theresienstadt angebracht war, ist bewusst gewählt. Die gezielte Grenzüberschreitung, um den eigenen Unmut über die von der Politik zum Schutz der Bevölkerung getroffenen Massnahmen zu äussern, verfolgt das Ziel, Aufsehen zu erregen.  

Die Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung äussert sich im Verlauf der Corona-Pandemie immer öfter in Holocaustvergleichen und somit Holocaustrelativierungen. Dabei bedienen sich die Autor:innen der Slogans und gewählten Symbole historischer Inhalte, die sich auf die NS-Zeit beziehen. Die Verwendung von gelben Sternen, sogenannten «Judensternen» (siehe Artikel: «Judenstern»), auf denen statt der Aufschrift «Jude» das Wort «ungeimpft» zu lesen ist, wurden immer wieder auf Corona-Demonstrationen beobachtet. Die systematische Kennzeichnung von Jud:innen in der NS-Zeit in Vergleich zu setzen mit Massnahmen, die die Regierung einsetzt, um die Bevölkerung vor den Gefahren einer Erkrankung mit dem neuen Virus zu schützen, ist nicht nur aus faktischen Gründen falsch. Diese Art der Vergleiche führen zu einer Verwässerung des Geschichtsverständnisses (siehe Artikel: «Vergleiche mit dem Holocaust haben zugenommen») und bergen die Gefahr einer Wiederholung der Geschichte. 

Zudem suggerieren diese Art der Vergleiche im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine vermeintliche «Impf-Verschwörung». Verschwörungsideologische Grundpositionen sind oftmals offen für antisemitische Inhalte (siehe: «Antisemitismus als Verschwörungstheorie»). Zwar würde dies in diesem Zusammenhang eine widersprüchliche Orientierung aufzeigen, dennoch lässt sich gerade bei Corona-Demonstrationen beobachten, dass holocaustrelativierende Inhalte nebst antisemitischen Verschwörungsideologien auftreten. Plakate mit dem Slogan «Gib Gates keine Chance!» werden vermehrt auf denselben Corona-Demonstrationen gesichtet. Der Slogan suggeriert und unterstellt Bill Gates (siehe Artikel: «Bill Gates») eine Beteiligung an der Entstehung des neuen Virus, mit der Absicht, durch Impfungen Chips in Menschen zu implantieren, um sie kontrollieren zu können und mit dem angeblichen Ziel einer «Neuen Weltordnung» (siehe Artikel: «Neue Weltordnung»). Dabei wird Bill Gates, obwohl nicht aus einer jüdischen Familie stammend, eine jüdische Herkunft zugeschrieben. In Verschwörungsideologien wird er dadurch mit der Familie Rothschild (siehe Artikel: «Rothschild») sowie George Soros (siehe Artikel: «George Soros») in einen Topf geworfen. Die Vorstellung, Jud:innen würden angeblich nach der Weltmacht streben und im Geheimen bereits die Strippen ziehen, spielt hier häufig eine zentrale Rolle.   

Siehe auch die Einträge AntijudaismusAntisemitismus und Protokolle der Weisen von Zion.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2021, unter Mitarbeit von Dr. phil. Darja Pisetzki, ehem. Projektmitarbeiterin der GRA.

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24.03.2025

Lesung und Gespräch zu «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.»

Am 8. Mai 2025 sprechen Judith Coffey und Vivien Laumann im Zollhaus Zürich über ihr Buch «Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen».

Im Buch loten die Autorinnen das Verhältnis von Jüdischsein und weiss-Sein aus und gehen der spezifischen Unsichtbarkeit von Juden:Jüdinnen in der Mehrheitsgesellschaft nach. In Anlehnung an das Konzept der Heteronormativität erlaubt «Gojnormativität», Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft zu befragen und so ein anderes Sprechen über Antisemitismus zu etablieren.

Das Buch ist eine Aufforderung zu einem bedingungslosen Einbeziehen von Juden:Jüdinnen in intersektionale Diskurse und Politiken und zugleich ein engagiertes Plädoyer für solidarische Bündnisse und Allianzen.

Wann: 8. Mai 2025 um 19:00 Uhr
Wo: Zollhaus Zürich / online mit Livestream
Sprache: Deutsch und Verdolmetschung in Gebärdensprache (auf Anfrage)
Moderation: Prof. Dr. Amir Dziri
In Kooperation mit: ZIID und feministisch*komplex

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