Selektion

Selektion nannte man das Aussondern arbeitsfähiger Jud:innen aus den Todestransporten in die Vernichtungslager. An der sogenannten Rampe, dem Bahnsteig des Lagers, selektierten SS-Leute die Ankommenden. Wen sie nicht als arbeitsfähig einstuften, wurde direkt in die Gaskammern der Lager geführt.

Der nationalsozialistische Konzentrationslagerkomplex Ausschwitz bestand aus zwei Konzentrationslagern und – ab 1942 – dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Da dem Komplex grössere Betriebe der deutschen Rüstungsindustrie angegliedert waren, benötigte die SS viele Zwangsarbeiter:innen. Sie wurden aus den nichtjüdischen Gefangenen der Konzentrationslager rekrutiert und auch aus den Judentransporten der Deutschen Reichsbahn ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dieses Aussortieren an der Rampe, dem Bahnsteig, von Auschwitz-Birkenau nannte man Selektion. SS-Leute, unter ihnen auch Lagerärzt:innen, selektierten die arbeitsfähigen Männer und Frauen. Alle übrigen wurden noch am Tag ihrer Ankunft in die Gaskammern gebracht und ermordet. Im Sprachgebrauch der SS-Leute von Auschwitz hiess der Vorgang auch «Aussortierung» oder «Rampendienst».

Die anderen Vernichtungslager (Belzec, Chelmno, Sobibor und Treblinka) benötigten viel weniger Arbeitssklav:innen, deshalb fanden hier weniger Selektionen statt – praktisch alle Ankommenden wurden kurz nach ihrer Ankunft vergast.

Der jüdische Psychiater und Psychoanalytiker Viktor Frankl (1905-1997) wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz transportiert. Er überlebte und veröffentlichte nach dem Krieg seinen Bericht «…trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager».
Darin schilderte er die Selektion an der Rampe von Auschwitz-Birkenau:

«Keiner von uns konnte das Geringste ahnen von der Bedeutung, die diese winzige Bewegung eines menschlichen Zeigefingers hatte – bald nach links, bald nach rechts, weit öfters nach rechts. Nun komme ich dran. Kurz vorher hat mir jemand zugeflüstert, nach rechts (‹vom Zuschauer aus gesehen›) gehe es zur Arbeit, nach links in ein Lager für Arbeitsunfähige und Kranke. Der SS-Mann legt mir beide Hände auf die Schultern, ich stehe aufgerichtet, da dreht er langsam meine Schultern, so dass ich nach rechts hingewendet werde – und ich haue nach rechts ab. Am Abend wussten wir um die Bedeutung dieses Spiels mit dem Zeigefinger: es war die erste Selektion!»

Und so schilderte ein Täter die Selektion – Rudolf Höss, 1940 bis 1943 Kommandant von Auschwitz-Birkenau, schrieb nach dem Krieg in polnischer Untersuchungshaft in seinem Lebensbericht:

«Schon der Vorgang der Aussortierung an der Rampe war reich an Zwischenfällen. Durch das Auseinanderreissen von Familien, die Trennung der Männer von den Frauen und Kindern, kam schon eine grosse Aufregung und Unruhe in den ganzen Transport. Die weitere Trennung der Arbeitsfähigen vermehrte diesen Zustand noch. Die Familien wollten ja auf alle Fälle zusammenbleiben. So liefen dann Aussortierte wieder zu den Familienangehörigen zurück, oder Mütter mit Kindern versuchten zu ihren Männern oder älteren, zur Arbeit ausgesuchten Kindern zu kommen. Es entstand so oft ein wüstes Durcheinander, dass oft noch einmal sortiert werden musste. Die Enge des zur Verfügung stehenden Raumes liess bessere Abtrenn-Massnahmen nicht zu. Alle Beschwichtigungsversuche verhallten nutzlos in den aufgeregten Menschenmassen. Oft musste mit Gewalt die Ordnung wiederhergestellt werden.»

Siehe auch die Stichworte RampeKonzentrationslagerEndlösungHolocaust und Shoah.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2016

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13.12.2023

«Nicht bei uns! Gegen Rassismus und Antisemitismus»

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