Aleviten

Alevit:innen sind eine in Anatolien entstandene Religionsgemeinschaft, die sich wie die Schiit:innen auf Ali beruft und islamische Glaubensinhalte mit mystischen Lehren vereint. Sie haben ihre eigenen Riten und befolgen nicht alle islamischen Gebote. Deshalb werden sie von Muslim:as zum Teil als Ketzer:innen abgelehnt. In der Türkei leben schätzungsweise 15 bis 20 Millionen Alevit:innen; viele von ihnen sind Kurd:innen.

Der Name «Aleviten» (türkisch: Alevî) ist erst im 19. Jahrhundert entstanden und bedeutet «Aliisten», Anhänger:innen von Ali. Entstanden ist das Alevitentum um das 12. Jahrhundert im Osten der heutigen Türkei; und noch heute sind die Alevit:innen in den türkisch-kurdischen Provinzen von Ost- und Südostanatolien stark vertreten. Durch die Arbeitsmigration haben sich auch in Mitteleuropa, besonders in Deutschland, aber auch in der Schweiz, alevitische Kulturzentren gebildet.

Die Alevit:innen sind eine Glaubensgemeinschaft am Rande des Islam – oder sogar ausserhalb des Islam, wie nicht nur manche strenggläubige sunnitische Muslim:as meinen, sondern auch ein Teil der Alevit:innen selbst. Zwar ist Ali, der Schwiegersohn und Cousin des Propheten Mohammed, für sie wie für die Schiit:innen die religiöse Leitfigur, doch die Alevit:innen sehen in Ali eine mystische Einheit mit dem Propheten. Ihr Glaube mischt islamische und vorislamische Inhalte. So sind die Alevit:innen der Überzeugung, dass sie eine Entwicklungsstufe erreicht haben, auf der einige Gebote, die für andere Muslim:as zu den «fünf Säulen des Islam» zählen, für sie nicht mehr gelten: Darum halten Alevit:innen die fünf Pflichtgebete des Tages nicht ein, fasten nicht am Ramadan und machen auch keine Pilgerfahrt nach Mekka. Der Koran ist für sie ein Buch, dessen geheime Botschaft hinter dem geschriebenen Text gesucht werden muss. Diese mystische Grundhaltung prägt die alevitische Religion, die weitgehend auf mündlicher, geheimer Überlieferung beruht.

Die religiösen Zeremonien («cem» = Versammlung genannt) halten Alevit:innen nicht in Moscheen ab, sondern im «cemevi» (Versammlungshaus), das kein Minarett besitzt. Besonders suspekt ist anderen Muslim:as, dass bei den Alevit:innen Frauen und Männer beim «cem» gemeinsam rituelle Tänze aufführen und dass alevitische Frauen weder Kopftuch noch Schleier tragen. Diese Bräuche haben dazu geführt, dass die Alevit:innen verleumdet wurden, Sittenlosigkeit und Inzest zu pflegen.

Im osmanischen Reich waren die Alevit:innen eine unterdrückte Minderheit, die sich wiederholt mit Aufständen gegen die Verfolgung durch die sunnitische Mehrheit wehrte. Erst in der modernen Türkei von Kemal Atatürk (ab 1923) nahm die Diskriminierung ein Ende. Deshalb gehörten Alevit:innen von Anfang an zu den Stützen des säkularen türkischen Staates. Ein anderes Kapitel ist, dass viele ostanatolische Alevit:innen auch Kurd:innen sind, deren Sprache und Kultur im Namen des türkischen Nationalstaats bis heute unterdrückt werden.

Siehe auch die Begriffe IslamKoranMuslim und Sunniten.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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10.04.2024

Diskriminierungsbericht 2023

Der neuste Bericht der GRA und GMS zum Jahr 2023 ist da.

Aufgrund der Ausweitung der Diskriminierungsstrafnorm Art. 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) in den letzten Jahrzehnten, auch im Hinblick auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, wurde der Bericht umbenannt und heisst nunmehr „Diskriminierungsbericht“ anstelle von „Rassismusbericht“.

Die umfassende Analyse der jährlichen Diskriminierungsfälle in der Schweiz 2023 zeigt einen sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle nach dem Angriff der Hamas und dem nachfolgenden Krieg in Gaza. Damit einher geht eine zunehmende Sichtbarkeit von allgemein diskriminierenden Taten und Hassreden. Die insgesamt 98 registrierten Vorfälle im Jahr 2023 stellen eine Zunahme um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr dar.

Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Konzepte im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus helfen können sind im vollständigen Bericht inklusive Interview mit Hannan Salamat vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der dazugehörigen Medienmitteilung zu finden.

 

Diskriminierungsbericht 2023

Medienmitteilung Diskriminierungsbericht 2023

 

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