Eine Armee für alle?
23.09.2021

Wo steht die Schweizer Armee in Bezug auf Prävention von Rassismus und Antisemitismus?

Wie ist es um die Diversität bestellt und welche Massnahmen und Projekte setzt die Armee in diesem Zusammenhang um?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Referats von Korpskommandant Hans-Peter Walser, Chef des Kommando Ausbildung der Schweizer Armee, welches er während der diesjährigen Jahresversammlung der GRA hielt.

Anlass zu seinem Referat gab der «Fall Benjamin», der die Schweizer Armee Anfang des Jahres in die Schlagzeile brachte. Ohne Wissen um seinen jüdischen Hintergrund, machten seine Kameraden immer wieder antisemitische Witze, teilten Holocaustrelativierende Inhalte digital im «Zimmerchat» und zitierten nationalsozialistische Symbole. Auch wenn der Rekrut Benjamin nicht direkt mit diesen Aktionen angefeindet wurde, schufen diese eine toxische Atmosphäre, in der er nicht länger ausharren konnte. Bei seiner Suche nach Unterstützung fühlte er sich von der Armee im Stich gelassen und brach schlussendlich seinen Militärdienst ab, um in den Zivildienst zu wechseln.

Dieses Beispiel ist wohl kein Einzelfall. Denn wie Korpskommandant Walser in seinem Referat betonte, kann die Schweizer Armee als “Melting Pot” betrachtet werden, wo sich ein Querschnitt des (männlichen) Teils unserer Gesellschaft zusammenfindet, unabhängig von Herkunft, Sprache, Ausbildung, Religion oder Geschlecht. Hier spiegeln sich auch die Probleme der Gesellschaft wider – inklusive fremdenfeindlicher oder diskriminierender Gesinnungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es auch in der Schweizer Armee hin und wieder zu rassistischen oder antisemitischen Vorfällen kommt. Zwar ist die Anzahl der gemeldeten Fälle eher klein, im Jahr 2020 waren es 26 Meldungen bei einer Rekrutenanzahl von mehr als 20 000, doch auch hier gilt: Die Dunkelziffer dürfte grösser sein und jeder einzelne Fall ist einer zu viel.

Um auf solche Fälle in Zukunft besser reagieren zu können, hat die Armee nun verschiedene Angebote und Projekte erarbeitet.

Zu den Neuerungen in der Armee gehören eine unabhängige Vertrauensstelle auf Stufe Department, welche die Armeeangehörigen bei Problemen im Zusammenhang mit dem Militärdienst beraten wird. Ebenfalls wird ab Januar 2022 eine Fachstelle «Frauen in der Armee und Diversity» entstehen.

Als Reaktion auf den «Fall Benjamin» hat die Schweizer Armee ein Pilotprojekt entwickelt, das im Sommer 2021 unter dem Titel «Sensibilisierung zu Diversität und Inklusion in der Armee», kurz SEDIA, durchgeführt wurde.

In seinem Referat betonte Korpskommandant Walser, dass extremistisches Gedankengut in der Schweizer Armee keinen Platz habe und eine Null-Toleranz gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung gelte. Dieser Grundsatz sei unerschütterlich und werde auch so kommuniziert. Denn der Artikel 171c des Militärstrafgesetzes und der gleichlautende Artikel 261bis des schweizerischen Strafgesetzbuches verbieten die Diskriminierung von Menschen und den Aufruf zu Hass, namentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung.

Wie der «Fall Benjamin» zeigt, fruchtet die Aufklärung und Sensibilisierung innerhalb der Armee nicht bei allen gleich und es gibt momentan noch eine Diskrepanz zwischen der Theorie und Praxis. Dennoch verfolgt die Armee das Ziel konsequent, die Armeemitglieder für die Themen Diversität, Rassismus und Sexismus zu sensibilisieren und Angebote für Armeeangehörige auszubauen.

Korpskommandant Walser ist sich bewusst, dass die Schweizer Armee allein nicht die Probleme einer ganzen Gesellschaft lösen könne und dass die wenigen Wochen der Rekrutenschule nicht ausreichen würden, um die jungen Rekruten und Rekrutinnen umzuerziehen, sollten sie bereits fremdenfeindliches Gedankengut hegen. Jedoch betonte er, dass die Armee bemüht sei, mit Hilfe verschiedener Massnahmen und Projekte in ihren eigenen Reihen eine tolerante Atmosphäre zu schaffen. Denn «Diversität, Inklusion, aber auch Rassismus, Antisemitismus oder Diskriminierung jeglicher Art sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir brauchen gesamtgesellschaftliche Veränderungen, damit sich für potenziell diskriminierte Personengruppen nachhaltig etwas verbessert.»

Wir helfen

Vorfall melden

Wurden Sie Zeug:innen eines rassistischen oder antisemitischen Vorfalls oder wurden Sie selbst rassistisch oder antisemitisch beleidigt oder angegriffen?

10.04.2024

Diskriminierungsbericht 2023

Der neuste Bericht der GRA und GMS zum Jahr 2023 ist da.

Aufgrund der Ausweitung der Diskriminierungsstrafnorm Art. 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) in den letzten Jahrzehnten, auch im Hinblick auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, wurde der Bericht umbenannt und heisst nunmehr „Diskriminierungsbericht“ anstelle von „Rassismusbericht“.

Die umfassende Analyse der jährlichen Diskriminierungsfälle in der Schweiz 2023 zeigt einen sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle nach dem Angriff der Hamas und dem nachfolgenden Krieg in Gaza. Damit einher geht eine zunehmende Sichtbarkeit von allgemein diskriminierenden Taten und Hassreden. Die insgesamt 98 registrierten Vorfälle im Jahr 2023 stellen eine Zunahme um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr dar.

Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Konzepte im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus helfen können sind im vollständigen Bericht inklusive Interview mit Hannan Salamat vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der dazugehörigen Medienmitteilung zu finden.

 

Diskriminierungsbericht 2023

Medienmitteilung Diskriminierungsbericht 2023

 

Mehr erfahren
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023
Diskriminierungsbericht 2023