Jüdische Schweizer / Schweizer Juden

Weitere Begriffe zum Thema Judentum:

In der Schweiz leben nach offiziellen Angaben rund 18’000 jüdische Personen, 80% von ihnen sind Schweizer Bürger:innen. Sie sind gut integriert und stellen die älteste nicht-christliche Religionsgemeinschaft der Schweiz dar. In allen Belangen gleichberechtigt sind Jud:innen erst seit 1874.

Jüdische Siedlungstätigkeit im Raum der heutigen Schweiz ist ab 1150 nachweisbar. In den Jahren des «Schwarzen Todes», der europäischen Pestepidemie, wurden die Angehörigen mindestens 28 jüdischer Gemeinden zwischen 1348 und 1350 in Pogromen ermordet und vertrieben. Die Wiederansiedlung jüdischer Haushalte erfolgte zwar bald, deren rechtliche Stellung war aber unsicher und ihr wirtschaftlicher Status schlecht. Mit wenigen Ausnahmen durften sich Jud:innen bis zu ihrer politischen Emanzipation nur in den Dörfern Endingen und Lengnau im Kanton Aargau dauernd niederlassen und Gemeinden bilden. 1866 erhielten sie auf internationalen Druck hin das Recht auf freie Niederlassung sowie die Gleichheit vor dem Gesetz. Erst in der Totalrevision der Bundesverfassung 1874 wurde ihnen auch das Recht auf freie Religionsausübung und damit die volle Gleichberechtigung zugestanden. In den Kantonen Basel-Stadt (1973), Freiburg (1990), St. Gallen (1993), Bern (1995) und Zürich (2005) ist die jüdische Glaubensgemeinschaft öffentlich-rechtlich anerkannt und damit den Landeskirchen gleichgestellt. Es gibt heute in der Schweiz 23 jüdische Gemeinden, von denen 17 im Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) zusammengeschlossen sind. Der 1904 gegründete Dachverband will die «gemeinsamen Interessen der Juden in der Schweiz wahren und fördern». 2003 wurde allerdings die Aufnahme der Liberalen Gemeinden von Zürich und Genf in den SIG abgelehnt, weil orthodoxe Gemeinden in diesem Fall mit dem Austritt drohten. Die Liberalen Gemeinden sind seither in der Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS) organisiert.

Schweizer Jud:innen sind eine überwiegend urbane Bevölkerungsgruppe und in allen Berufsgattungen tätig. Ihre Haltung zur jüdischen Religion ist breit gefächert, sie reicht von areligiös über säkular, liberal, traditionell bis zu national-religiös, orthodox und ultraorthodox.

Gemäss der Volkszählung von 2000 stellen Jud:innen rund 0.25% der Schweizer Bevölkerung – ungefähr gleich viel wie in der Volkszählung von 1900. Ihre tatsächliche Anzahl dürfte höher sein. Kinder aus einer Ehe mit einer nichtjüdischen Partnerin werden religionsgesetzlich nicht als Jud:innen anerkannt. Daniel Gerson, Leiter eines Nationalfondprojekts über den Wandel des Judentums in der Schweiz, sagte in einem Interview im jüdischen Magazin «tachles»: «Seit den siebziger Jahren gehen mehr als die Hälfte der Juden in der Schweiz eine Ehe oder eine Partnerschaft mit einer Nichtjüdin ein. Zugleich ist aber bei Familien in Mischehen das Bedürfnis gewachsen, am Judentum in irgendeiner Form teilhaben zu können, um es den Kindern weiterzuvermitteln.» Personen, die ihre Zugehörigkeit zum Judentum kulturell, historisch oder national definieren, sind nicht immer Mitglied einer jüdischen Gemeinde und empfinden sich auch nicht als Teil einer Religionsgemeinschaft. Sie erscheinen daher nicht in der Statistik der Gemeinden und des SIG und werden mit der Volkszählung nicht unbedingt erfasst.

Jud:innen mit Schweizer Bürgerrecht sind Schweizer:innen in jedem Sinn und in allen Belangen. Im Rahmen der Auseinandersetzungen um nachrichtenlose Vermögen titelte ein Schweizer Nachrichtenmagazin im Januar 1997 in ausgrenzender Sprache: «Wir und die Juden». Jüdische Schweizer:innen aber sind beides: «Wir» und «Juden».

Siehe auch die Einträge Jude und orthodox/ultraorthodox.

© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015

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10.04.2024

Diskriminierungsbericht 2023

Der neuste Bericht der GRA und GMS zum Jahr 2023 ist da.

Aufgrund der Ausweitung der Diskriminierungsstrafnorm Art. 261bis des Strafgesetzbuches (StGB) in den letzten Jahrzehnten, auch im Hinblick auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, wurde der Bericht umbenannt und heisst nunmehr „Diskriminierungsbericht“ anstelle von „Rassismusbericht“.

Die umfassende Analyse der jährlichen Diskriminierungsfälle in der Schweiz 2023 zeigt einen sprunghaften Anstieg der antisemitischen Vorfälle nach dem Angriff der Hamas und dem nachfolgenden Krieg in Gaza. Damit einher geht eine zunehmende Sichtbarkeit von allgemein diskriminierenden Taten und Hassreden. Die insgesamt 98 registrierten Vorfälle im Jahr 2023 stellen eine Zunahme um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr dar.

Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind und welche Konzepte im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus helfen können sind im vollständigen Bericht inklusive Interview mit Hannan Salamat vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und der dazugehörigen Medienmitteilung zu finden.

 

Diskriminierungsbericht 2023

Medienmitteilung Diskriminierungsbericht 2023

 

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